Erinnerungen und Abenteuer

Erinnerungen und Abenteuer

Sir Arthur Conan Doyle

Sir Arthur Conan Doyle muss wohl nicht vorgestellt werden, allerdings kennt man ihn vor allem als Autor der Geschichten um Sherlock Holmes. In seinen Memoiren erzählt Doyle von seinem turbulenten Leben und gewährt dem Leser einen Blick auf die vielen anderen Seiten seiner Selbst.

Verlag 28 Eichen, 2016

ISBN:
9783940597939
Preis:
24,00€

Die Übersetzung entstand in Zusammenarbeit von Studierenden des Studiengangs Literaturübersetzen und dem Verlag 28 Eichen, unter der Koordination von Heike Holtsch und in Kooperation mit dem Europäischen Übersetzer-Kollegium Straelen.

Aus dem Englischen von Mandana Bagheri, Maximilian Boßeler, Martin Fischer, Heike Holtsch, Britta Köhler, Kristina Mundt, Eva Scharenberg, Anja Schindler, Jennifer Thomas, Sara Walczyk, Constanze Wehnes und Fabienne Weuffen.

Leseprobe

Die Hope war eines der ersten Schiffe, die in jenem Jahr die Robbenschar entdeckte, doch bevor der Tag kam, an dem wir die Jagd beginnen durften, erlebten wir eine Reihe starker Stürme, gefolgt von heftigem Rollen, was das Eis zum Kippen brachte, und so die jungen Robben vor ihrer Zeit ins Wasser beförderte – sodass, als das Gesetz uns endlich erlaubte an die Arbeit zu gehen, die Natur uns nur noch wenig Arbeit übrig gelassen hatte. Nichtsdestoweniger begab sich im Morgengrauen des 3. April die Besatzung auf das Eis und begann mit ihrer blutrünstigen Ernte. Es ist eine grausame Arbeit, wenngleich nicht grausamer als jene, die allabendlich für einen gedeckten Tisch sorgt. Und doch waren diese leuchtend blutroten Lachen auf dem gleißenden Weiß der Eisfelder unter dem stillen blauen Polarhimmel ein abscheulicher Schandfleck. Doch ein steter Bedarf erfordert ein stetes Angebot, und mit ihrem Tod tragen die Robben dazu bei, einer langen Reihe von Seemännern, Werftarbeitern, Gerbern, Transiedern, Kürschnern, Kerzengießern, Leder- kaufleuten und Ölhändlern den Lebensunterhalt zu sichern, die zwischen diesem jährlichen Abschlachten auf der einen Seite und dem piekfeinen Herrn in seinen weichen Lederstiefeln auf der anderen Seite stehen, oder dem Gelehrten, der das erlesene Öl zur Pflege seiner Mikroskope und anderer Gerätschaften benötigt. Ein persönliches Abenteuer sorgte dafür, dass der erste Tag der Robbenjagd für mich besonders einprägsam verlief. Ich erwähnte bereits den starken Seegang, der die Eisschollen gegeneinander krachen ließ, weshalb der Kapitän entschied, dass es für einen unerfahrenen Mann zu gefährlich sei, sich auf das Eis vorzuwagen. Er beorderte mich also zurück an Bord, gerade als ich mit den anderen über die Schiffswand kletterte, und befahl mir, dort zu bleiben. Mein Protest blieb ungehört, und so hockte ich mich schließlich missmutig auf die Schiffswand, ließ die Beine baumeln und blies Trübsal, während die See das Schiff und mich auf und ab schaukeln ließ. Allerdings saß ich auf einer dünnen Schicht Eis, die sich auf dem Holz gebildet hatte, und als das Schiff von einer besonders rauen Welle getroffen wurde, warf es mich im hohen Bogen ab und beförderte mich ins Wasser, wo ich zwischen zwei Eisblöcken verschwand. Als ich wieder auftauchte, klammerte ich mich an einen davon und kletterte bald darauf wieder an Bord. Etwas Gutes hatte das Missgeschick immerhin, denn der Kapitän bemerkte, da ich in jedem Fall ins Wasser fallen werde, mache es wohl keinen Unterschied, ob ich mich auf dem Eis oder dem Schiff befinde. Ich bestätigte seine ursprünglichen Befürchtungen, indem ich mein Kunststück an diesem Tag noch zweimal wiederholte. Am Ende des Tages musste ich mich schmachvoll in meine Koje zurückziehen, während all meine Kleidung im Maschinenraum trocknete. Es war mir jedoch ein Trost, dass mein Unglück den Kapitän offenbar so sehr amüsierte, dass er darüber den Misserfolg unserer Robbenjagd vergaß, und noch lange trug ich den Namen „der große Nordmeertaucher“. Einmal bin ich jedoch nur knapp davongekommen, als ich beim Häuten einer Robbe einen Schritt zurück und über den Rand einer Eisscholle trat. Ich war ein wenig abseits von den anderen und niemand sah mich in meiner misslichen Lage. Das Eis war so glatt, dass ich keinen Halt fand, um mich wieder hochzuziehen, und mein Körper wurde schnell taub in dem eiskalten Wasser. Schließlich jedoch gelang es mir, die Schwanzflosse der toten Robbe zu packen, und in einer Art albtraumhaftem Tauziehen musste entschieden werden, ob ich die Robbe ins Wasser oder mich an Land ziehen würde. Endlich bekam ich ein Knie über den Rand und zog mich hoch. Ich erinnere mich, dass meine Kleidung zu einer Rüstung gefroren war und nur so knirschte, als ich das Schiff erreichte. Ich musste sie erst auftauen lassen, bevor ich sie ausziehen konnte.

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